Predigt zum Nachlesen
Predigt für den Sonntag Trinitatis - von Pfr. i.R. Eckhard Weißenberger
Und der Herr sprach zu Abraham: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. 1.Mose12, 3
Liebe Gemeinde,
heute morgen möchte ich mit Ihnen über den Segen nachdenken. Den Segen, den wir in jedem Gottesdienst empfangen, der Segen der uns untereinander verbindet und der uns als Gesegnete auseinandergehen läßt.
Der Segen gehört so selbstverständlich zum Gottesdienst dazu, dass wir nicht oft darüber nachdenken. In der ganzen Theologiegeschichte wurde viel über die Sakramente, über die Predigt, das Abendmahl nachgedacht und auch gestritten, über den Segen so gut wie nie.
Es war eine große Ausnahme, als vor einigen Wochen der Segen in den Nachrichten und in der Tagespresse Thema war, nämlich, indem davon berichtet wurde, dass viele katholische Pfarrer in Deutschland einem Votum der Glaubenskongregation in Rom widersprachen und öffentlich bekannten: Wir segnen auch gleichgeschlechtliche Paare.
Ein Segen der gespendet wurde und gleichzeitig ein Zeichen des Protestes war gegenüber einer Weisung aus Rom, das war etwas Besonderes und, so weit ich weiß, etwas Einmaliges.
Die Pfarrer sagten: Wenn zwei Menschen sich lieben und diese Liebe auf Dauer angelegt ist, dann wollen wir für die beiden um den Segen Gottes bitten, denn Gott selbst in die Liebe, wie sollten wir den Segen liebenden Menschen verweigern? In diesem besonderen Fall war der Segen ein Streitthema, das war und ist ungewöhnlich, denn grundsätzlich hat der Segen etwas Verbindendes. Am Ende eines jeden Gottesdienstes spricht der Pfarrer oder die Pfarrerin den Segen: Gott segne und behüte euch.
Als von Gott Gesegnete gehen dann die Gottesdienstbesucher auseinander, jeder in sein zuhause, später an seine Arbeit, in den Alltag. Am Sonntag sind wir versammelt in der Kirche , haben nachgedacht über ein Wort aus der Bibel, vielleicht zusammen Abendmahl gefeiert, zusammen gebetet zu Gott - aber dann zerstreuen wir uns in die ganz unterschiedlichen Orte und zu unterschiedlichen Menschen, die eben unser Leben z. Zt. ausmachen. Aber: Begleitet vom Segen Gottes. Der Segen ist die unsichtbare Hand Gottes, die uns als Gesegnete begleiten soll. Den Segen können und brauchen wir uns nicht verdienen, er wird uns zugesprochen.
Normalerweise müssen wir uns in unserem Leben alles verdienen, müssen in der Schule lernen, damit wir gute Noten bekommen, in der Arbeit etwas leisten, damit wir unseren Lohn bekommen, freundlich zu anderen Menschen sein, damit diese freundlich zu uns sind. „Ich gebe, damit du gibst“ bestimmt in vielen Bereichen unser Leben. Anders beim Segen: Er wird uns geschenkt. Im Gottesdienst heißt es nicht: Wenn du dich ordentlich benimmst, dann bekommst du auch den Segen Gottes zugesprochen, sondern ganz unabhängig davon, wie einer gerade dran ist, bekommt jeder, der im Gottesdienst ist, zum Schluss den Segen Gottes zugesprochen – umsonst, ohne Vorleistung. Das gilt auch bei den persönlichen Festtagen, die wir in der Kirche feiern. Wenn Eltern ihr Kind zur Taufe bringen, bei der Kommunion und Konfirmation und Firmung und bei der Trauung - immer werden die Menschen gesegnet und als gesegnete in den Alltag entlassen. Die Eltern und Paten werden gesegnet, damit Gott sie begleitet, wenn sie ihr Kind ins Leben begleiten, die Jugendlichen bekommen den Segen zugesprochen, wenn sie langsam erwachsen werden: „Gott wird mit euch sein“ wird ihnen im Segen gesagt und die Brautpaare bekommen den Segen zugesprochen, weil sie wissen, so glücklich verliebt, wie heute, wird das im Alltag nicht immer sein, darum verspricht ihnen Gott im Segen :Ich will mit euch sein, auch in schweren Zeiten. Schon auf den ersten Seiten der Bibel ist vom ersten Segnungsgottesdienst die Rede:
Es wird erzählt, dass Gott die Erde und die Tiere und Pflanzen geschaffen hat. Dass er es war, der hinter dieser ganzen schönen Welt und dem Kosmos steht, dass wir da sind, weil er es wollte.
Im Schöpfungsbericht heißt es:
Gott sah an, alles was er geschaffen hatte und siehe, es war sehr gut. Und Gott segnete die Vögel, die Fische und alle Tiere. Und über den Menschen heißt es wenig später: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.Und er schuf sie als Mann und Frau . Und Gott segnete sie.
D.h., das erste, was uns die Bibel als Wort Gottes zu seinen Geschöpfen überliefert, ist kein Gebot, keine Anweisung, wie wir mit seiner Schöpfung umgehen sollen, sondern das erste Wort ist: Gott segnete sie. Freilich, wenn wir den Segen Gottes für die Tiere ernst nehmen, dann können wir die gesegneten Mitgeschöpfe kaum der Massentierhaltung überlassen. Hier werden wir als gesegnete schuldig an den Mitgeschöpfen und werden ihnen nicht „zum Segen“.
Das hebräische Wort für segnen, „berech“, heißt „dabeisein, mit dir sein“. Der Herr segne dich, heißt also: Gott sei mit dir. Gott möge bei dir sein.
Unter dem Segen Gottes sind wir alle zusammengeschlossen, obwohl wir doch untereinander so verschieden sind, der Segen verbindet uns.
Die älteste Form ist der sogenannte „Aaronitsiche Segen“, so genannt, weil der Bruder von Mose, Aaron, von Gott beauftragt wurde, mit diesen Worten das Volk Israels zu segnen:
Der Herr segne dich und er behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden.
Wir alle kennen diese Worte, kein Gottesdienst, der nicht mit diesen oder ähnlichen Segensworten beendet wird. Mit diesen Worten werden wir in den Alltag entlassen. Der Gottesdienst am Sonntag soll dort seine Fortsetzung finden in unseren Häusern, bei unserer Arbeit, in unserer Freizeit. Der Segen soll uns begleiten, wenn wir arbeiten und wenn wir ausruhen, wenn wir selbst etwas schaffen und produzieren und wenn wir uns nur an den schönen Früchten und Blumen der Natur uns erfreuen – ohne etwas dafür zu tun. Der Segen soll als stiller Begleiter bei uns sein, wenn wir uns von Herzen am Leben freuen, aber auch, wenn wir deprimiert und, wenn wir traurig sind. Der Segen ist der Zuspruch Gottes für jeden von uns, unabhängig, ob wir einer Predigt etwas abgewinnen konnten oder wir uns gar nicht angesprochen fühlten.
Das ist für mich als Pfarrer beruhigend: Im Segen spricht Gott uns an und versichert uns, dass er bei uns sein wird, wenn wir hinausgehen in den Alltag. Wir sind dabei zusammengeschlossen als Pfarrer und Gemeindemitglieder, als Glaubende und Zweifelnde und Ungläubige. Der Segen gilt uns allen, wir können und brauchen ihn uns nicht zu verdienen, er wird uns zugesprochen.
In meiner niedersächsischen Heimat stehen an alten Bauernhäusern Sinnsprüche, ein viel gebrauchter lautet: An Gottes Segen ist alles gelegen. Das haben hart arbeitende Bauern gesagt, die wussten, wenn sie nicht fleißig sind, verdirbt die Ernte, aber hinter ihrer Arbeit sahen sie, dass da so vieles ist, was sie nicht machen können, darum bekannten sie: An Gottes Segen ist alles gelegen. Unter dem Segen Gottes sind wir alle zusammengeschlossen, obwohl wir doch untereinander so verschieden sind, der Segen verbindet uns. Er verbindet uns als evang. und kath. Christen, er verbindet uns mit den jüdischen Geschwistern, die genau die gleichen Segensworte verwenden. Es ist traurig, dass die Christen dieses unter dem gleichen Segen stehen im 3. Reich nicht als verbindendes Element bekannt haben und danach gehandelt haben. Der Segen verbindet uns auch mit den moslemischen Geschwistern.
Vor einiger Zeit wurde in Bayern ein Pfarrer neu in sein Amt eingeführt und ein befreundeter moslemischer Lehrer sprach bei der Ordination neben vier anderen Assistenten ein Segenswort. Vorher hatte die Landeskirche geprüft und befunden: gegen ein Segenswort eines Moslems sei nichts einzuwenden. In der Öffentlichkeit erleben wir diese Gemeinsamkeit eher nicht. Menschen haben immer wieder Religion missbraucht für ihre fanatischen Ziele. In der Geschichte der Kirche hat es auch Aufrufe zum Kreuzzug gegen die Ungläubigen Moslems gegeben und es ist erschreckend, liest man diese Aufrufe nach, dass sie sehr ähnlich klingen, wie die des Islamischen Staates ... Wirklich glaubende Menschen sind keine Fanatiker. Sie wissen, dass Gott es über Gerechte und Ungerechte regnen läßt und über beiden die Sonne scheint. Der Segen, unter dem sich glaubende Christen, Juden und Moslems stellen, kann uns verbinden - fanatischer Glaube trennt uns.
Ich erlebe das sehr eindrucksvoll im Flüchtlingslager im Irak erlebt. Wenn ich den Witwen dort einen Umschlag mit einer Unterstützung für sie und ihre Kinder übergebe, sagen die Frauen oft zu mir: „Gott segne dich und die Geber der Gaben.“ Und ich kann antworten: “Gott segne dich und deine Familie.“
Wir gehören unterschiedlichen Konfessionen an, die Jesiden sind eine kleine religiöse Minderheit, von 1-2 Millionen. Ihre Religion hat Anklänge an das AT, aber sie sind keine Juden, keine Moslems, keine Christen. Sie sind eine eigene religiöse Glaubensgemeinschaft. Diese Frauen wünschten mir den Segen Gottes und ich wünschte ihnen den Segen Gottes - wir verstehen uns, obwohl wir nicht die gleich Sprache sprechen und unterschiedliche Religionsnamen haben – aber der Segen verbindet uns - wir sind Empfangende. Im Augenblick haben wir mehr als die Jesiden und können von unserem Reichtum abgeben – das muss nicht immer so sein und bleiben. Abraham wird gesegnet mit den Worten: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“. Er empfängt die Verheißung Gottes: Du und dein Volk stehen unter meinem Segen, ihr habt eine Zukunft - so sei auch Du ein Segen für die Menschen die dir begegnen.
So werden auch wir in die kommende Woche entlassen:
Gott verspricht uns, mit uns zu gehen, mit uns zu sein, seine Hand über uns zu halten – als Gesegnete und bittet uns, dass auch wir zum Segen für andere Mitmenschen werden an dem Ort, an dem wir heute stehen und den Menschen gegenüber, die unser Leben heute ausmachen.
So laßt uns bitten: Komm, Herr segne uns…
Segen kann gedei‘n, wo wir alles teilen,
schlimmen Schaden heilen, lieben und verzeih‘n. AMEN