Predigt zum Nachlesen
Der Evangelist Lukas berichtet: Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu Jesus eilten, redete er in einem Gleichnis:
Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.
Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! (Lukas 8, 4-8)
Liebe Gemeinde, kennt ihr diese Fehlersuchbilder? Das sind so Bilder-Rätsel nach dem Motto: Hier sind 10 Fehler versteckt. Schau genau hin und finde sie alle. Als harmloses kleines Kinderspiel ist das ganz unterhaltsam. Aber man kann auch so durchs Leben gehen, nicht als Spiel, sondern ganz im Ernst. Immer mit dem Blick für Fehler. Das ist dann nicht mehr lustig, wenn sich jemand ständig auf das konzentriert, was daneben geht. Wer durchs Leben läuft nach dem Motto „Finde die Fehler. Alle!“ der wird nicht so leicht glücklich und er macht auch andere nicht so leicht glücklich.
Der Landwirt in dem Gleichnis, was Jesus hier erzählt, macht es genau andersrum. Er verschwendet keine großen Gedanken an das, was daneben geht. Er starrt nicht auf die Fehlschläge. Sondern er schaut auf den Ertrag, der am Ende herauskommt. Auf den Erfolg. Und er freut sich darüber, dass da am Ende, trotz aller Fehler, doch so viel gelingt. Ja, es fallen Körner daneben, auf den Weg, auf den Fels, in die Dornen und gehen kaputt. Aber ein Korn, was auf guten Boden fällt, bringt 100 fach Frucht. Was für ein Segen! Da kann man so manches Korn vergessen, was vorher daneben ging.
Ich weiß nicht, ob in der modernen Landwirtschaft auch noch so viele Körner vergeblich gesät werden wie damals in biblischen Zeiten als der Bauern mit der Hand die Samen auf den Acker gestreut hat. Heute gibt es auf den Feldern nicht mehr so viele Disteln und Dornen, die werden weg gespritzt. Und die Felsbrocken, die da vielleicht liegen, die kann man mit starken Maschinen zertrümmern und rausziehen. Das Saatgut wird mit 95% iger Keimgarantie verkauft. Und die Sämaschine lässt sich exakt auf den Feldrand einstellen – mit Satellitennavigation. Da geht nicht mehr viel wertvolles Saatgut kaputt. Das wäre auch schlecht, denn die Weltmarktpreise für Weizen sind niedrig. Die Preise für das vorbehandelte Saatgut jedoch hoch. Und der Landwirt will schließlich am Ende nicht drauflegen. Er muss ja davon leben. Sorglose Verschwendung kann er sich nicht leisten.
Sollen wir jetzt seufzen und sagen: „Ach, die gute alte Zeit!“ und einer romantischen Landwirtschaftsidylle nachträumen? So idyllisch und romantisch war das auch zu biblischen Zeiten nicht. Der Landwirt und seine Familie, die mussten auch davon leben, damals. Sie waren ganz existentiell darauf angewiesen, dass ihr Acker Ertrag brachte, sonst mussten sie hungern. Sorglose Verschwendung konnten sich die Leute damals auch nicht leisten.
Der Sämann in dem Gleichnis tut auch für damalige Verhältnisse etwas Ungewöhnliches und vielleicht sogar ein bisschen Verrücktes, in dem er so locker-lässig und entspannt über die Fehler, Verluste und Frustrationen hinweg geht. Er grämt sich nicht darüber. Stattdessen richtet er seinen Blick auf das Positive. Auf die Tatsache, dass es trotz allem am Ende was zum Ernten gibt. Das ist es, was für ihn zählt.
Der Sämann in dem Gleichnis, das ist ein Bild für Gott. So ist Gott, sagt Jesus. Wie dieser entspannte Landwirt. Total gechillt. Er starrt nicht auf die Fehler, er hält sich nicht auf bei dem, was daneben geht. Verschwenderisch-großzügig streut er aus und freut sich an allem, was gelingt. Ohne Wenn und Aber. Er sagt nicht: „Ja, schön - aber es hätte besser sein können, mehr sein können, perfekt sein können. Es muss besser werden. Mehr werden. Optimiert werden. Er sagt einfach nur: „Wie schön! Da gibt es doch tatsächlich Körner, die bringen Frucht auf meinem Acker. Dafür hat es sich gelohnt.“
Mir kommt das vor wie ein Hobbygärtner, der aus Liebhaberei sät und erntet. Nicht aus Not. Nicht fürs Überleben. Der hat einen viel entspannteren Blick auf seinen Acker. Der muss nicht sorgenvoll rechnen. Er freut sich einfach an allem was wächst und Früchte trägt. Eigentlich himmlisch! Ja, das ist himmlisch, auf diese Art zu wirtschaften. So wirtschaftet Gott, sagt Jesus. Das ist die himmlische Art zu säen und zu ernten. Ganz entspannt und ohne Rentabilitäts-Druck. Mit einer ordentlichen Portion Fehlertoleranz. Mit viel Vertrauen, dass sich trotzdem ein Ergebnis einstellt. Mit viel Freude an allem, was gelingt.
Wenn also Gott der Sämann ist, wie deuten wir dann die anderen Sachen in diesem Gleichnis vom „vierfachen Ackerfeld“. Unter dieser Überschrift ist es in vielen Bibelübersetzungen zu finden. Jesus selber hat seinen Jüngern eine Deutung gegeben. Sie findet sich in den folgenden Versen. Ich will sie kurz zusammenfassen: Der Acker, das ist das menschliche Herz. Und die Körner, das ist die Botschaft von Gott, das sind Gottes Worte.
Ihr Lieben, das menschliche Herz, das ist definitiv kein einfaches Ackerfeld. Da gibt es nicht nur furchtbaren Boden, wo gute Dinge wachsen. Da gibt es auch Stellen, die sind voller Unkraut. Da wuchert wie wild allerlei unnützes Zeug, was eine Menge Platz beansprucht. Da gibt es auch dornige Ecken und stachelige Disteln, da kommt man nicht weiter ohne sich zu verletzen. Da macht man am besten einen Bogen drum. Und dann gibt es im menschlichen Herz Stellen, die sind festgetrampelt, platt gemacht, zertreten, da wächst kein Gras mehr: die ausgetretenen Pfade der Gewohnheit und des immer gleichen Denkens und Handelns. Die platt gemachten Ideale und die zertretenen Hoffnungen. Verbrannte Erde. Und es gibt felsige Stellen, hart wie Stein, da liegen große Klötze mittendrin. Emotionale Altlasten. Die verhindern es, dass dort etwas Gutes wächst, Glaube wächst, Hoffnung wächst. Liebe wächst. Der vierfache Acker ist in jedem von uns.
Wie gut, dass Gott nicht rechnet! Sondern dass er großzügig ausstreut nach dem Motto: Etwas wird schon hängenbleiben. Einige Körner werden schon aufgehen. Gottes Wort ist ausgesät an vielen Stellen: bei Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen, im Religionsunterricht, im Kindergottesdienst, in Jungschar und Jugendkreis, in Familien wo gebetet wird oder aus der Kinderbibel vorgelesen wird, in geistlicher Musik und in modernen Lobpreisliedern… Und obwohl vieles verloren geht und keine Wurzel fasst: Alles, was auf gutes Land fällt, bringt hundertfach Frucht, sagt Jesus.
Das ist ein ermutigender Zuspruch für jeden von uns. So als wollte Jesus sagen: Geht es dir so, dass du dir oft so schlecht merken kannst, was du in deiner Bibel gelesen hast? Und dass du es nicht besser behalten kannst, was du in der Predigt gehört hast, geschweige denn im Alltag umsetzen? Lass es dir sagen: So ist es nun mal mit dem menschlichen Herz. Da geht vieles daneben. Da geht nicht alles auf. Aber ich, Jesus, gebe dir die Verheißung: Manches ist auch bei dir schon auf gutes Land gefallen. Manches hat auch in deinem Leben schon Früchte getragen. Manchmal vielleicht so, dass du es selber gar nicht gemerkt hast. Ja, Jesus meint: Es gibt auch bei dir das Stück fruchtbaren Ackerboden und auf ihm geht Gottes Wort auf und bringt Frucht.
Ich will dazu eine Geschichte erzählen:
Einst kam ein Mann zu seinem Rabbi und sagte: Es ist zum Verzweifeln. Ich lese in den heiligen Schriften, ich sinne darüber nach, ich gehe regelmäßig in die Synagoge. Aber ich kann mir alles nur so schlecht merken. Ich habe ein Gedächtnis wie ein Sieb. Und immer ist das wieder weg, was ich gelesen und gehört habe. Da sagte der Rabbi: Nimm diesen Korb und geh hinaus an den Brunnen, fülle ihn mit Wasser und bring ihn wieder her. Der Mann tat, wie ihm geheißen wurde. Aber bis er mit dem Korb zurückkam, war kein Wasser mehr darin. Es war alles hindurchgelaufen. Da schickte ihn der Rabbi ein zweites Mal mit dem Korb zum Brunnen und dann nochmal und noch mal und immer war es dasselbe: Bis er mit dem Korb wieder da war, war kein Wasser mehr darin. Der Mann war frustriert und ärgerlich und sagte: Was soll das?! Es macht keinen Sinn, Wasser in einem Korb tragen zu wollen, Es läuft alles wieder hinaus. Recht hast du, erwiderte der Rabbi, Wasser ist keines mehr in dem Korb. Aber schau ihn dir mal genau an. Siehst du, was passiert ist? Durch das Wasser, das durch ihn hindurchgelaufen ist, ist der Korb ganz sauber geworden. Und so ist es mit dir, mit deinem Herzen. Es ist wie dieser Korb und Gottes Wort ist das lebendige Wasser. Du hältst es mit einem Herzen nicht fest. Es läuft hindurch. Aber dein Herz wird dadurch sauber.
Liebe Gemeinde, man kann sich auf das Fehlersuchen konzentrieren, auf die Schwachstellen, auf alles, was daneben geht. Darüber kann man ganz frustriert werden. Oder wir lassen uns inspirieren von Gott, der großzügig ausstreut, ohne Rücksicht auf Verluste, in dem festen Vertrauen, dass einiges auf gutes Land fällt und viel Frucht bringt. Amen.
Pfarrerin Renate Malter