Predigt zum Nachlesen
Predigt an Heiligabend 2021 von Pfarrer Axel Malter
Micha 5,1
Liebe Gemeinde,
an Weihnachten feiern wir den Geburtstag von Jesus. Das ist bekannt.
Aber wer ist Jesus und warum ist seine Geburt der Grund für ein so großes und international begangenes Fest?
Nun ja, das liegt daran, dass er eben etwas Besonderes ist: Jesus. Von ihm können wir in der Bibel lesen. Im Neuen Testament berichten die vier Evangelisten aus seinem Leben: wie er Menschen geheilt hat, wie er von Gott gesprochen hat, wie er am Kreuz gestorben und auferstanden ist, wie er weiter lebt und weiter wirkt.
Aber auch das Alte Testament ist wichtig, wenn wir verstehen wollen, wer Jesus ist und warum er so besonders und so wichtig ist. Im Alten Testament finden wir nämlich die Weissagungen der Propheten. Und wir können dort lesen, wen sie in Gottes Namen angekündigt haben. Da gibt es zum Beispiel die Prophezeiung des Propheten Micha, der folgendes ankündigt: Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. (Micha 5,1)
Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Jesus ist in Bethlehem geboren. Das weiß jedes Kind. Von daher passt diese alte Prophezeiung auf ihn. Und weiter heißt es da über den Angekündigten: Er soll der Herr sein, der Herrscher im Land - wie ein König. Wenn man das auf Jesus bezieht, muss man allerdings feststellen: Jesus ist nicht aufgetreten wie ein Herrscher, nicht wie die Herren aller Länder, nicht wie ein König mit Krone und prunkvollem Luxus, mit Dienerschaft und Militär. Er wurde nicht im Palast geboren, sondern im Stall. Er wohnte nie in einem Schloss, sondern dort, wo man ihn einließ, manchmal auch unter freiem Himmel. Seine Krone war aus Dornen geflochten. Und seine Streitmacht bestand nicht in Soldaten, sondern in seinen Worten. Es waren seine Worte, vor denen die Dämonen flohen. Es waren seine Worte, die den Sturm zum Schweigen brachten. Es waren seine Worte, die Kranke gesund und Tote lebendig gemacht haben. Jesus kämpfte und wirkte mit seinem Wort, nicht mit Lanze und Schwert. Und sein Reichtum bestand nicht aus Geld und Immobilien, sondern aus dem Vertrauen, das er geschenkt bekam von den Menschen. Und aus der Liebe, die er
verschenkte. Jesus war also ganz bestimmt kein Herr im Sinne der üblichen Herrschenden und Mächtigen.
Das hebräische Wort, was hier in dieser alten Prophezeiung für „Herr“ verwendet wird, „Moschel“, das ist sonst in der Bibel auch oft eine Bezeichnung für Gott und für seine Herrschaft. Und in diese Richtung deutet das Wort auch hier in der Weissagung von Micha:: „Du Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her
gewesen ist.“ Der also soll aus Betlehem kommen, dessen Ursprung von Anfang an und von Ewigkeit her gewesen ist. Über wen kann man das sagen: dass sein Ursprung von Anfang an und von Ewigkeit her gewesen ist? Doch nur von Gott selbst! Mit diesen Worten wird doch ganz eindeutig Gott beschrieben. Gott ist es, der von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Von niemandem sonst kann man das sagen.
Deshalb ist der Geburtstag von Jesus etwas so Besonderes: weil mit ihm Gott selbst auf die Welt gekommen ist. Der große Gott, der Herr über Himmel und Erde, wird ein kleines Kind und kommt in dem kleinen Örtchen Bethlehem zur Welt. Wir feiern an Weihnachten, dass Gott auf die Erde kommt. Das ist das Besondere an Jesus. Der Schöpfer von Himmel und Erde macht sich ganz klein und sucht sich einen kleinen Ort aus, um in dem
kleinen Jesuskind auf die Welt zu kommen.
Offensichtlich hat der große Gott ein Herz für das Kleine. Nicht Rom oder Jerusalem wählt er als Ort, wo er zur Welt kommt, sondern das kleine Dörfchen Betlehem. Im Alten Testament in den Mosebüchern wird berichtet, wie Gott sich ein kleines Volk auswählt hat als sein Volk, mit denen er einen Bund schließt: das Volk Israel. Und das Neue Testament berichtet davon, wie Gott einen Neuen Bund schließt mit den Menschen. Und dieses Bündnis beginnt damit, dass der große Gott ein kleines Kind wird. Und im kleinen Ort Betlehem auf die Welt kommt.
Liebe Gemeinde, Gott hat ein Herz für das Kleine. Deshalb: Unterschätzen doch auch wir das Kleine nicht! Übersehen wir doch auch nicht den Charme des Kleinen, die Chancen und die Schönheit, die im Kleinen liegen. Beachten wir doch die kleinen Anfänge, die kleinen Zeichen der Veränderung, das Potenzial, das im Kleinen steckt. Wir haben oft so eine Bewunderung für das Große und für die Großen. Beinah eine Gigantomanie, eine Sucht nach Größe. Wir schauen auf die großen Länder wie die USA, China, Russland und verzagen, weil es uns zu gering vorkommt, was viele kleine europäische Länder einzeln oder gemeinsam bewirken und bewegen können. Wir schauen auf die großen Konzerne im Dax oder im Dow Jones und übersehen dabei, wie wichtig jeder kleine Handwerksbetrieb ist, jede Firma hier vor Ort, in der Region, im Ländle.
Das Große drängt sich in unsern Blick und darüber übersehen wir oft das Kleine.
Wir sehen die großen Sorgen, die großen Probleme der Welt und unseres Landes. Und die muss ich jetzt gar nicht alle aufzählen, Ihr wisst ja eh Bescheid. – Aber dabei übersehen wir leicht die vielen kleinen guten Dinge: das kleine Lächeln, das Glitzern eines kleinen Eiskristalls, das nachbarschaftliche Miteinander, das kleine Zusammentreffen mit einer Freundin, die kleine Tasse Kaffee am Morgen, das kleine Kunstwerk von Kinderhand, die vielen kleinen Selbstverständlichkeiten unseres Alltags, wie Strom und Wasser, die zuverlässig fließen, Busse und Bahnen, die regelmäßig fahren und dergleichen „Kleinigkeiten“ mehr.
In unsrer Welt gilt die Logik der Größe. Peter Alexander beschreibt sie in einem Lied aus den 50er Jahren so: Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere, nur weil die Bäume hoch sind und diese die Tiere groß sind. - Die süßesten Früchte schmecken dir und mir genauso, doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie.
Das ist die Logik der Größe. Wir sind fixiert auf die Großen, die alles haben und die man bewundert oder vor denen man sich fürchtet. Und deshalb versuchen wir dann auch, selber möglichst groß zu sein. Denn „groß ist besser als klein!“, heißt die Devise. „Klein“ heißt dann schnell „zu klein“. Kleine Dörfer erleben, dass sie zu klein sind für eine eigene Sparkasse, für eine eigene Poststelle oder zu klein für eine eigene Bäckerei.
Kleine Kirchengemeinden bekommen vom Oberkirchenrat vorgerechnet, dass sie zu klein sind für einen eigenen Pfarrer. Kleine Schulen werden aufgegeben, weil große Schulen angeblich irgendwie besser sind.
Die Kleinen fallen neben runter, einfach nur weil sie klein sind. „Immer auf die Kleinen“, das ist zur gängigen Redewendung geworden. – Und der eine oder die andere hier erinnert sich bestimmt auch noch an den Satz beim Spielen mit anderen Kindern: „Dafür bist Du noch zu klein. Da kannst Du nicht mitmachen.“ - Und wenn man sich „so klein mit Hut“ fühlt , dann ist das auch als Erwachsener kein schönes Gefühl.
Aber das ist die frohe Botschaft, die an Weinachten von dem kleinen Örtchen Betlehem in die Welt hinaus geht: Weihnachten durchkreuzt die Logik der Größe. Gott hat ein Herz für das Kleine und für die Kleinen. Bei ihm kommt das Kleine nicht zu kurz, sondern groß raus. Weltbewegende Ereignisse fangen bei ihm ganz klein an. Sogar das größte Ereignis aller Zeiten: Die Geburt von Jesus Christus, die Ankunft Gottes auf der Erde
geschieht ganz klein.
So wie es der Prophet Micha angekündigt hat: „Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“
Fassen wir also Mut in unserm kleinen Dorf, in unserem kleinen Stadtteil einer deutschen Kleinstadt, in unseren kleinen Verhältnissen und in dem kleinen Kreis, in dem wir dieses Jahr Weihnachten feiern. Denn das Kleine wird von Gott ganz besonders gesehen und geehrt. Amen.