65 Jahre Orgeldienst – danke!!!
Nun, liebe Gemeinde, ist es mir eine besondere Freude und Ehre, einen großen Dank zu sagen, im Namen unserer Landeskirche Ihnen, liebe Frau Schaal, einen großen Dank zu sagen. Dieser Dank gilt heute nicht vorrangig der langjährigen Dirigentin unseres Kirchenchors, sondern der Organistin Irmgard Schaal für ein 65jähriges ehrenamt-liches Wirken im Orgeldienst. Sie vermuten zurecht, liebe Gemeinde, dies ist ein seltenes Jubiläum, setzt es doch voraus, dass dieses ehrenamtliche Wirken schon in sehr frühen jugendlichen Jahren seinen Anfang genommen hat. Genau genommen könnte man sagen: Frau Schaals besondere Beziehung zur Königin der Instrumente reicht zurück bis in ihre Kindheitstage. Als Frau Schaal noch ein ganz kleines Mädel war, ereignete sich nämlich folgendes. Stellen Sie sich eine mi Gottesdienstbesuchern prall gefüllte Festtagskirche vor. Auch die Empore der Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Dorthin begleitete die kleine Irmgard ihre Eltern, die in guter fami-liärer Tradition im Kirchen- und Posaunenchor mitwirkten. Platz sich hinzusetzen, gab es für das kleine Mädchen nur noch auf einer Ecke der Orgelbank. Der Gottesdienst-beginn stand kurz bevor, die Festgemeinde wurde schon ganz still. Mitten in die große Stille im Kirchenraum hinein dann dies:
Kurzes Orgelbrausen mit dem Tutti aus tiefen Pedaltönen (Herr Rösch)
So oder ähnlich mag es geklungen haben. Was war passiert? Die kleine Irmgard hatte die Balance verloren und war versehentlich auf ein paar Pedale geraten, die dann – ganz unversehens – den gewaltigen tiefen Orgelton auslösten, zum sichtlichen Erschrecken der versammelten Gemeinde. Ob dies die Initiativzündung war für Irmgard Schaals Liebe zur Orgel, das belassen wir einmal im Dunkel der Geschichte.
Jedenfalls sollten noch ein paar Jahre vergehen, bis dann das kirchenmusikalische Engagement – nun in deutlich geregelteren Bahnen – seinen Lauf nahm. Gerade einmal 12 Jahre war Irmgard alt, als sie – als des Klavierspiels Kundige – gebeten wurde, den Kindergottesdienst musikalisch zu begleiten. Als Schülerin der 8. Klasse kamen dann die regelmäßigen wöchentlichen Schulgottesdienste dazu und dies bis zum Abitur. Mit der Zeit kamen weitere Gottesdienste hinzu, vor allem, wenn es galt, bei Beerdigungs-feiern auf den Friedhöfen von Irmgard Schaals Heimatstadt Rheine den musikali-schen Rahmen zu gestalten. Das westfälische Rheine, das muss man hierzulande, glaube ich, erläutern, ist die zweitgrößte Stadt des Münsterlandes, wird durchquert durch die Ems, hat etwa die Einwohnerzahl von Offenburg mit einer evangelischen Diasporageschichte, die ebenfalls sehr ähnlich ist wie die von Offenburg, und ist Teil der großen Westfälischen Landeskirche. In deren Schoß erfolgte dann für Irmgard Schaal ihre eigentliche Ausbildung an der Orgel, jetzt in der Universitätsstadt Münster, wo das Studium an der PH zur Grundschullehrerin anstand. Neben der Absolvierung der kirchenmusikalischen D- und C-Kurse standen die vielen praktischen Gottesdiensteinsätze an der Orgel, wo immer Not an Mann oder Frau war. Dazu kam die Leitung eines Kinder- und eines Erwachsenenchors. Es folgten Referendariat und die Zusatzausbildung zur Sonderschullehrerin, doch trotz dieses dichten Studien-programms ließ sich die junge Studentin nicht lange bitten, wenn erkennbar war: sie wurde im kirchenmusikalischen Dienst gebraucht. Sie war einfach immer da, wenn’s drauf ankam einzuspringen! Diese Grundhaltung bewahrte sich Irmgard Schaal zeitlebens, und für diese Grundhaltung gebührt Ihnen, liebe Frau Schaal, heute unser ganz besonderer Dank. Dass diese Grundhaltung Bestand hatte, war eine Gunst, an der sich einer unter uns in ganz besonderer Weise erfreuen konnte: der badische Pfarrer Martin Schaal, der nicht nur seine Irmgard der Westfälischen Landeskirche durch die mit ihr geschlossene Ehe entriss, sondern nun seinerseits auf den verschie-denen Stationen seines seelsorgerlichen Wirkens in der Badischen Landeskirche eine äußerst kompetente Kirchenmusikerin und Organistin an seiner Seite wissen durfte, die ehrenamtlich einsatzbereit und treu gewährleistete, dass es keinen Gottesdienst gab, in dem nicht die Orgel oder das Klavier dem Lob Gottes den gebührlichen Rahmen gegeben hätte. So haben Sie, liebe Frau Schaal, über Jahrzehnte hinweg, an ganz verschiedenen Orten, mitunter vertretungsmäßig, aber immer auch sehr regelmäßig, wenn ich etwa an das Seelbacher Pflegeheim denke, Gottesdiensträume zu wunder-baren „Klangräumen“ gewandelt, die die Seelen der Menschen geweitet und ihre Gebete zu Gott haben aufsteigen lassen.
Dafür möchte ich Ihnen, im Namen aller, die dies haben erleben dürfen, von Herzen danken. Dass Ihnen, liebe Frau Schaal, die Kraft geschenkt war, diesen ehrenamt-lichen Dienst an der Gemeinde Jesu Christi über 65 Jahre hinweg auszuüben, dafür möchte ich heute auch Gott danken. Denn es mag wohl sein, dass ein Organist, eine Organistin, wie es im Grimmschen Wörterbuch wörtlich heißt, „ein Feldherr ist, dessen Volk aus Holz und Luft besteht“. Doch zu solcher Orgelkunst gehört eben auch viel Vorbereitung, viel Üben, damit schließlich gelingt, was einmal vor 200 Jahren so beschrieben wurde und was wir heute mit einem gewissen Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen dürfen: „ Ein Organist, mitgemeint ist natürlich die Organistin, ein Organist also ist für die Kirche auf vielerlei Art wichtig. Der Choralgesang, der einen großen Teil des protestantischen Gottesdienstes ausmacht,“ so heißt es weiter wörtlich, „würde ohne Hilfe der Orgel in ein unordentliches Geschrei ausarten. Die Orgel erhält also die Gemeinde in dem einmal angenommenen Tone und bedeckt außerdem das viele Unreine, was beim Zusammenklang so vieler ungeübter Stimmen unvermeidlich ist.“ Dieses Urteil, das vor 200 Jahren Gültigkeit hatte, mag wohl auch heute noch nicht ganz unberechtigt sein. Darum, liebe Frau Schaal, meine herzliche Bitte: Gewähren Sie uns, soweit es Ihnen möglich ist, auch in Zukunft Ihren Beistand. Wir brauchen es so sehr, dass unsere Kirchen und Gottesdiensträume auch weiterhin durch die Kirchenmusik zu wunderbaren „Klangräumen“ werden, Klangräumen, die unsere Seele weiten und unseren „Lobpreis über das Unendliche“ erklingen lassen. Denn, so schrieb der große Orgellehrer Helmut Bornefeld: „Wenn es solcher Lobgesänge über das Unendliche schon bisher bedurfte, Ungezählten zu Trost und Freude, dann brauchen wir sie erst recht in einer verarmten, gepeinigten und entgötterten Welt:
keineswegs um des Unendlichen willen, ganz gewiss und einfach aber um des Menschen willen!“
In diesem Sinne, liebe Frau Schaal, darf ich Ihnen dieses kleine Büchlein incl CD mit Bildern und Musik aus verschiedenen badischen Kirchen überreichen. Es trägt den schönen Titel:“Klangräume“. Dazu als Ausdruck des Dankes unserer ganzen Landeskirche für Ihren 65jährigen Orgeldienst diese Urkunde, die ich Ihnen mit den ausdrücklichen Grüßen von Dekan Becker und Bezirkskantorin Jauch überreichen darf. Überschrieben ist die Urkunde mit dem Psalmwort:
„Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!“