Predigt zum Nachlesen

Predigt am 08. Sonntag nach Trinitatis, 25. Juli 2021 in Hugsweier und Langenwinkel von Prädikant Stephan Müller

Predigttext: Matthäus 5, 13-16 (Evangelium)
13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
„Licht und Salz sollen / dürfen wir sein …“

 

Liebe Gemeinde,
vor einiger zeit sind mir zwei Anzeigen aufgefallen. Die eine: „Fehlt Ihrem Leben die Würze?“ Es war eine Stellenanzeige mit einer Pepperoni abgedruckt. Die andere: „Stellen Sie ihr Licht nicht unter einen Scheffel. Man wird zwar viel Einsatz von Ihnen fordern, aber Sie werden den Erwartungen entsprechen.“ Das war kein Bibelvers, sondern das Horoskop für den betreffenden Tag. Beide Texte haben einen unmittelbaren Bezug zum Predigttext, dem Evangelium für den heutigen 8. Sonntag nach Trinitatis. Sie sprechen den Leser/die Leserin oder uns Hörer/die Hörerinnen direkt an.

Die Sätze sind eine der ersten Worte, die Jesus an seine Anhänger richtet, an all die Menschen, die ihm gefolgt sind. Damit sie ihn sehen und besser hören konnten, hat er sich auf einen Hügel, auf einen Berg gestellt und die sogenannte Bergpredigt gehalten. In dieser Rede findet sich die ureigene Botschaft Jesu wieder und er stellt sich damit über das jüdische Gesetz und über die Propheten. Die Predigt beginnt mit den Seligpreisungen wie z.B. ‚Selig sind, die reinen Herzens sind‘ und ‚Selig sind die Friedfertigen‘. Und dann kommt dieser bildhafte und gewaltige Zuspruch: „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!

Wir wissen, wie kostbar Salz ist. Ungesalzenes Nudelwasser lässt die Mahlzeit fade bleiben. Salz hat reinigende und heilende Wirkung für unseren Körper. Denken wir an die Heilkraft der Salinen-Kuren bei Atemwegserkrankungen. Gandhis gewaltloser Widerstand gegen die britische Besatzung Indiens war mit dem sogenannten Salzmarsch erfolgreich. Die Briten kontrollierten die Salzgewinnung, den Salztransport und den Salzhandel. Gandhi brach mit wenigen Anhängern auf zum  Arabischen Meer, um durch Verdunstung eigenes und damit steuerfreies Salz zu gewinnen. Tausende Inder schlossen sich an. Mit der ‚Eroberung‘ des Salzes
gewann Indien selbstbestimmtes Leben zurück. Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt. Alles Leben vollzieht sich im Wechselspiel von Sonne, Wasser und Salz. Darin steckt Lebensenergie. Diese Energie dürfen wir einbringen, wir sollen sogar Licht und Salz sein – in Begegnungen im Alltag, im Beruf, in der Familie, in der Kirche und anderen Plätzen.

Der Mediziner und Psychotherapeut Joachim Bauer hat ein Buch veröffentlich mit dem Titel „Prinzip Menschlichkeit“. Darin fragt er nach dem, was die Motive im Gehirn antreibt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Anerkennung und Vertrauen die größten Anregungen sind, die Menschen aufleben lassen, zu Leistungen herausfordern und glücklich werden lassen. Für das Gelingen nennt er fünf Voraussetzungen. In Jesu
Rede, in den wenigen Versen unseres Evangeliums-Textes finden wir diese Voraussetzungen für eine gelingende Beziehung zwischen Menschen und mit Gott wieder:

1. Sehen und Gesehen-werden: Jesus sieht die Menschen, die im vertraut sind, die in Not sind und auf Hilfe warten sowie die, die einfach neugierig sind. Und er gibt sich als Mensch zu erkennen. 2. Gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber jemandem Dritten: Als Salz und Licht sollen die Zuhörenden ihren Ort und ihr Wirken in der Welt begreifen; und das zum Lob Gottes. Das gemeinsame Dritte ist der Wille Gottes. 3.
Emotionale Resonanz: Jesus lässt sich auf die anwesenden Menschen ein. Er spürt, was sie umtreibt. Er nimmt sie ernst. Er traut ihnen – auch uns – zu, zu salzen und zu leuchten. Er möchte es und er erwartet es sogar von uns. Und er ist davon überzeugt, dass sie, dass wir es können. 4. Gemeinsames Handeln: Zu salzen und zu leuchten bedeutet, mit Jesus gemeinsame Sache zu machen. Mit ihm am selben Strang zu ziehen. Im Gebet mit ihm, dem Licht in der Finsternis, in Verbindung zu bleiben. Und 5. Das wechselseitige Verstehen von Motiven und Absichten: Die Menschen um Jesus verstehen, dass sie gemeint sind. Dass sie in dem Wirkungskreis der Liebe Gottes gehören und davon selbst salzend, liebend und leuchtend leben und wirken können. „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!“.

„Fehlt Ihrem Leben die nötige Würze?“ So war die Anzeige überschrieben. Und: „Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Man wird zwar viel Einsatz von Ihnen fordern, aber Sie werden den Erwartungen entsprechen.“ Hier liegt ein Stück Lebenswirklichkeit vor und ein Großes Stück Wirkungsgeschichte unserer Evangeliums-Verse, auch wenn in der Anzeige ‚Schärfe‘ gemeint ist und nicht Salz. Aber es soll ‚peppen‘. In beiden Anzeigen wird Großes von den Angesprochenen erwartet. Aber es sind ja auch die Herausforderungen, die uns in Bewegung setzen und weiterbringen. Es sind auch die Zumutungen Jesu, die uns wachsen lassen, manchen sogar über uns selbst hinaus. „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt! Amen