Predigt zum Nachlesen
Falsches und rechtes Fasten
Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir: 1 Rufe laut, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!
2 Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei.
3 »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst's nicht wissen?« Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter.
4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.
5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?
6 Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
7 Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. (Jesaja 58,1-9a)
Liebe Gemeinde, Dietrich Bonhoeffer schreibt im Juli 1944 aus dem Gefängnis in Berlin-Tegel an einen Freund folgende Worte: (aus: Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung S. 194 ff)
„Ich erinnere mich eines Gespräches, das ich vor 13 Jahren in Amerika mit einem französischen jungen Pfarrer hatte. Wir hatten uns ganz einfach die Frage gestellt, was wir mit unserem Leben eigentlich wollten. Da sagte er: ich möchte ein Heiliger werden – das beeindruckte mich damals sehr. Trotzdem widersprach ich ihm und sagte ungefähr: ich möchte glauben lernen.“
Sie fragen sich vielleicht, was hat das mit unserem Predigttext zu tun? Nun ich denke Gott wandte sich durch den Propheten Jesaja auch an Menschen, die gern „Heilige“ sein oder werden wollten:
Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei.
In diesem Vers wird deutlich: Ein „Heiliger“ werden zu wollen ist ein Lebensziel, das Positives und Negatives in sich vereint, das Positive:
Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen.
Mit Gott im Gebet verbunden sein, nach seinem Willen fragen, das Gefühl der Nähe Gottes lieben – dagegen kann doch niemand etwas einzuwenden haben. Doch Jesaja meint, dass mit diesen Motiven, auch oft etwas anderes, etwas Negatives verbunden ist: nämlich ein Anspruchsdenken Gott gegenüber:
Sie fordern von mir Recht, sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei.
Als Menschen sind wir so angelegt, dass wir immer gerne den Erfolg, die Früchte dessen sehen wollen, was wir tun; und wer fromm und heilig lebt, wer sich bemüht, Gottes Willen ernst zu nehmen, der möchte auch etwas davon haben, der schielt – bewusst oder unbewusst auch
auf seine Rechte. Vielleicht ist es der Wunsch Gottes Segen, seine Nähe, erleben oder spüren zu dürfen. Oder die Erwartung, dass Gott uns Schweres erspart, dass er uns vor Unglück bewahrt, dass er Gebete erhört und in unser Leben eingreift. Passiert nichts, dann sind wir schnell dabei Gott anzuklagen:
Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst's nicht wissen?
Aber Gott gibt uns auf diese Fragen durch den Propheten Jesaja eine klare und deutliche Antwort:
Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?
Gott möchte uns auf einen Denkfehler hinweisen: Wir wollen oft „Heilige“ werden, indem wir uns in scheinbar frommer Weise um uns selbst drehen, indem wir aus uns und unserem Leben etwas machen wollen, das Gott gefällt; dabei besteht die Gefahr, in einer Frömmigkeit zu landen, die andere Menschen übersieht. Wer heilig werden will, durch Beten und Fasten, und dabei übersieht, wie er sich anderen gegenüber verhält, wie er auf andere wirkt, der landet in einer Sackgasse.
Gott übt nicht nur Kritik, nein, er will uns helfen und macht einen Vorschlag:
Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
Niemand von uns ist herzlos oder hätte noch nie einen Euro für Notleidende gespendet – doch viele Menschen um uns herum haben keine Chance unsere Hilfe zu erfahren, weil sie bestimmte Bedingungen unserer Moral oder unserer Frömmigkeit nicht erfüllen.
Dietrich Bonhoeffer wollte im Gegensatz zu jenem französischen Pfarrer kein Heiliger werden, sondern „glauben lernen“, so schreibt er in dem eingangs zitierten Brief weiter:
„Später erfuhr ich und ich erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder - dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane und ich denke das ist Glaube und so wird man ein Mensch, ein Christ….“
Denen die darauf verzichten „Heilige“ werden zu wollen, die aufhören um sich selbst zu drehen, die werden erleben, dass Gott da ist, dass er handelt, dass er eingreift: denn denen ist verheißen, was Gott durch Jesaja spricht:
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Amen.
Monika Kappus