Predigt zum Nachlesen
Predigt Septuagesimae 2022 in Hugsweier und Langenwinkel von Prädikantin Dorothea Brasch-Duffner
Der Predigttext für diesen heutigen Sonntag steht im 1. Korintherbrief Kapitel 9 die Verse 24-27:
Ihr kennt das doch: Von allen Läufern, die im Stadion zum Wettlauf starten, gewinnt nur einer den Siegeskranz. Lauft so, dass ihr ihn gewinnt!
Wer im Wettkampf siegen will, setzt dafür alles ein. Ein Athlet verzichtet auf vieles, um zu gewinnen. Und wie schnell ist sein Siegeskranz verwelkt! Wir dagegen kämpfen um einen unvergänglichen Preis.
Ich weiß genau, wofür ich kämpfe. Ich laufe nicht irgendeinem ungewissen Ziel entgegen. Wenn ich kämpfe, geht mein Schlag nicht ins Leere.
Ich gebe alles für diesen Sieg und hole das Letzte aus meinem Körper heraus. Er muss sich meinem Willen fügen. Denn ich will nicht andere zum Kampf des Glaubens auffordern und selbst untauglich sein.
Herr segne du Hören und Reden. Amen.
Liebe Gemeinde,
Bilder aus dem Sport sind uns vertraut. Und sie haben eine besondere Faszination. Auch Paulus weiß das und benutzt einen Vergleich aus dem Sport. Um diese Anziehungskraft des Sportbeispiels nachvollziehbar zu machen, lade ich Sie ein, sich einen Skilanglauf bei einer Olympiade über die 50-km-Distanz vorzustellen:
Die Läufer stehen bereit. Der Startschuss ertönt. Das Feld setzt sich in Bewegung. Bei Kilometer zehn kommt die erste Verpflegungsstation. Die Läufer nehmen sich Getränke, trinken im Laufen etwas und werfen den Rest auf die Seite.
Einige Kilometer weiter kommen die Langläufer an einer Imbissbude vorbei. Der Duft von gebratenen Würsten, von Hamburgern und Pommes steigt ihnen in die Nase. Zwei von ihnen nicken sich kurz zu, biegen ab und machen es sich an der Imbissbude gemütlich. Andere, die das beobachtet haben, schütteln verständnislos den Kopf. Angestrengt laufen sie weiter. Der Schweiß rinnt ihnen über die Stirn. Die Kälte lässt die Perlen in den Bärten gefrieren. Füße und Arme werden langsam schwer. Über 20 Kilometer liegen noch vor ihnen.
Doch da kommt in einiger Entfernung ein Hotel in Sichtweite. Durch die Glasfenster kann man ins Innere sehen und eine gemütliche Sitzecke mit Kaminfeuer entdecken. Als die Langläufer an diesem Hotel vorüber sind, sind wieder einige Läufer weniger dabei. Die wärmen sich in der warmen Stube auf und erholen sich von den Strapazen.
Langsam wird es auch für die durchtrainierten Athleten anstrengend. Das hohe Tempo und die beißende Kälte hinterlassen ihre Spuren. Die Läufer befinden sich kurz vor dem Ziel. Nur noch wenige Kilometer sind zu laufen. Fernsehteams mit Kameras und Mikrophonen stehen bereit. Menschen stehen Spalier und feuern die Athleten an. Da entdecken einige Läufer ihre Familie und die Freunde, die extra hergekommen sind. Sie laufen hin und unterhalten sich, während die anderen an ihnen vorbeiziehen und auf die Zielgerade einbiegen.
Auf der Zielgeraden bietet sich den Zuschauern ein seltsames Bild. Nur eine Handvoll Läufer sind übriggeblieben. Den anderen aber ist das Ziel gleichgültig geworden.
Wie ist es Ihnen ergangen bei dieser Beschreibung des olympischen Skilanglaufes.
Haben Sie auch gedacht: Unmöglich, so ein Wettkampf. Unmöglich, so eine Zielverfehlung. Unmöglich, dass ein Sportler, der jahrelang auf diesen Wettkampf trainiert hat, sich von einer Imbissbude, einem warmen Hotelzimmer und jubelnden Freunden vom Ziel abbringen lässt.
Bei einem Olympiateilnehmer ist das ganze Leben auf den einen Lauf bei der Olympiade ausgerichtet. Der Tagesablauf, der Wochenrhythmus und die Jahrespläne sind genau auf das große Ereignis abgestimmt. Auf diesen einen Tag hat er sich vorbereitet. Dieses Ziel hat er schon lange vor Augen. Diesen Sieg will er unbedingt erringen.
So ist das bei Sportlern. Doch wie ist es bei uns Christen?
Das fragt der Apostel Paulus die Gemeinde in Korinth.
»Wisst ihr nicht . . .?« Wisst ihr nicht, dass unser Leben als Christen einem Wettkampf gleicht? Wisst ihr nicht, dass es Gewalten und Gestalten gibt, die uns vom Ziel abbringen wollen? Wisst ihr nicht, dass nur der den unvergänglichen Siegespreis erhält, der auch im Ziel ankommt?
Weil Paulus den Christen die Wirklichkeit des Glaubens anschaulich nahebringen möchte, vergleit er das Christsein mit einem Wettkampf in der Arena. Ganz bewusst wählt er diesen Vergleich. Der Apostel will die Christen ermutigen, es den Sportlern nachzutun. Dabei geht es ihm nicht darum, aus dem Christsein Leistungssport zu machen und aus dem Glauben einen Wettkampf. Für Paulus steht es außer Frage, dass ein Christ sich Gottes Gnade und Barmherzigkeit nicht verdienen kann. Kein Mensch kann sich den Himmel verdienen und so unlogisch das im Bild von einem Wettlauf auch klingt, es bleibt dabei: Beim Glaubenslauf kann und soll jeder gewinnen. Beim Glaubenslauf bekommt man den Siegespreis geschenkt. Beim Glaubenslauf begleitet, hält und stützt uns Jesus Christus selbst. Paulus wählt dieses Bild vom Wettlauf, weil er deutlich machen will, dass das Leben mit Jesus Christus Folgen hat. Wer Jesus Christus nachfolgt, gleicht einem Sportler, der auf ein Ziel zuläuft.
Er läuft zielorientiert. Er lebt konzentriert. Diese beiden Anregungen für unser Christsein möchte ich nun entfalten.
(1.) Lauft zielorientiert.
»Ich laufe, aber nicht wie aufs Ungewisse« – so schreibt Paulus in Vers 26. Diesen Vers kann man auch anders übersetzen und sagen: »Ich laufe, aber nicht wie einer, der kein festes Ziel hat.«
Dass wir uns Ziele setzen und diese dann auch erreichen wollen, das begleitet uns das ganze Leben. Es ist unstrittig, dass Menschen Ziele brauchen. Für das berufliche Fortkommen und auch für das private Leben. Kinder und Jugendliche sind ganz und gar mit dem Ziel beschäftigt, die Schule abzuschließen. Doch kaum hat man dieses Etappenziel erreicht, stellt sich schon das nächste: Berufswahl. Gerade in unserer heutigen Zeit ist die richtige Berufsentscheidung von großer Bedeutung für ein Leben. Gleich nach der Berufsfindung stellt sich die Frage nach dem richtigen Partner fürs Leben. Danach die Familie – Kinder können das Zusammenleben und die Zielsetzungen von zwei Menschen grundsätzlich verändern. Und wer Verantwortung für die Familie übernimmt, der muss auch an die finanzielle Absicherung denken, Besitz erwerben, vielleicht ein Haus bauen.
Und – nicht zu vergessen – die Gesundheit. Irgendwann ist die Gesundheit nicht mehr selbstverständlich, sondern muss erkämpft werden. Wie ist das nun mit den Zielen für unser Leben?
Paulus sagt: »Ich laufe, aber nicht wie einer, der kein festes Ziel hat.« Die verschiedenen Ziele, die ein Mensch sich im Laufe seines Lebens setzen kann, können den Anspruch, ein festes Ziel zu sein, nicht erfüllen. Schule, Beruf, Partner, Familie, Besitz, Gesundheit – all das können Etappenziele in einem Lebenslauf sein, doch wer diese Dinge überbewertet, der wird nie im eigentlichen Ziel ankommen.
Vielmehr gleicht jemand, der ein solches Etappenziel zu seinem einzigen Lebensinhalt macht, einem Skilangläufer bei der Olympiade, der unterwegs aufhört zu laufen. Die Etappenziele verdienen durchaus Beachtung. Sie müssen angesteuert und erkämpft werden. Doch wir müssen aufpassen, dass Beruf, Familie, Besitz und Gesundheit nicht zu unserem »Ein und Alles« werden. »Ich laufe, aber nicht wie einer, der kein festes Ziel hat,« – so sagt es Paulus. Er war Jesus Christus begegnet und durch diese Begegnung wurde sein Leben total verwandelt. Paulus hatte sein Lebensziel gefunden:
Er wollte diesem Jesus Christus nachfolgen. Er wollte ihm nachfolgen durch alle Höhen und Tiefen dieses Lebens hindurch. Er wollte ihm nachfolgen von dieser Welt in jene Welt. Er wollte ihm nachfolgen bis er seinem Herrn Jesus Christus am Ende seiner Tage von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde.
Hier muss sich jeder und jede selbst fragen: Habe ich dieses feste Ziel für mein Leben? Oder lasse ich mich immer wieder von diesem Ziel ablenken? Habe ich mein Leben auf das große Ziel ausgerichtet? Oder bin ich in der Gefahr, an einem Etappenziel stehenzubleiben? Habe ich das Ziel vor Augen, dass Jesus Christus am Ende meines irdischen Lebens wartet und mich in seine Herrlichkeit aufnehmen will?
»Ich will dir die Krone des Lebens geben« – das verspricht Jesus jedem, der ihm vertraut. Er lädt uns ein, dieses Ziel, die Krönung unseres Lebens, anzustreben. Wie ein guter Trainer unterstützt er uns auf dem Weg, damit wir dieses Ziel auch erreichen.
Lebt zielorientiert. – Das war die erste Anregung für unser Christsein. Nun zur Zweiten:
(2.) Lebt konzentriert.
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge«; – enthalten, verzichten, opfern – diese Worte haben in unserer Gesellschaft keinen guten Klang. Genießen ist heute angesagt. Mitnehmen, was geht. »Ich will alles und zwar sofort«, so kann man das Lebensgefühl unserer Zeit beschreiben Enthaltsamkeit – das klingt nach einer einengenden Frömmigkeit, die uns die Freude am Leben beschneidet. Verzicht – das hört sich so an, als ob ein Christ all das, was Spaß macht, nicht tun dürfe. Opfer – dieser Begriff scheint nicht in unsere moderne Welt zu passen. Wer sich selbst verwirklichen will, wird sich nicht für andere aufopfern.
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge« – Paulus will der Gemeinde in Korinth zeigen, dass Enthaltsamkeit, Verzicht und Opfer zum Christsein dazugehören. Doch nicht deshalb, weil Gott uns die Freude am Leben verderben möchte. Gott will uns durch Enthaltsamkeit, Verzicht und Opfer nicht demütigen, sondern beschenken. Gott will uns mit einem erfüllten Leben reich machen. Gefüllt ist unser Leben mit vielem, doch wer sein Leben mit vielen Dingen anfüllt, hat deshalb noch lange kein erfülltes Leben. Paulus fordert die Christen in Korinth auf, sich auf das zu konzentrieren, was ihnen wichtig ist: »Konzentriert euch auf das Ziel. Wie ein Sportler, der im Wettkampf läuft. Dann bekommt ihr die Kraft, euer Leben zu gestalten. Dann könnt ihr Entsagungen auf euch nehmen, ohne dass ihr sie als einengend empfindet. Dann könnt ihr Verzicht üben und Opfer bringen, weil euer ganzes Leben auf das große Ziel ausgerichtet ist – die Gemeinschaft mit Gott.«
Fragen wir uns selbst: An welcher Stelle muss ich mich enthalten? Was hält mich davon ab, konsequent in der Nachfolge Jesu zu leben? Da diese Frage unsere persönliche Lebensgestaltung berührt, muss sie auch jeder und jede persönlich für sich beantworten. Als Hilfe dazu möchte ich einige Fragen stellen, zu denen sich jeder selbst seine Gedanken machen kann:
In unserer Gesellschaft haben wir unendlich viele Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten und unsere Zeit einzuteilen. Das Fernsehen sendet rund um die Uhr auf vielen Kanälen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit können wir uns unterhalten lassen. Und wer sich genau beobachtet, der merkt, dass das Fernsehen eine Sogwirkung entfalten kann. Weil man gerade nichts Wichtiges zu tun hat, bleibt man halt noch ein wenig sitzen. Schaut dies oder jenes an, landet in diesem oder jenem Kanal.
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge« – Könnte das heißen, dass ich viele Bilder, die mich beschweren, vermeiden muss? Könnte das heißen, dass meine Seele mehr Freiraum braucht für die Begegnung mit Gott?
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge« – Kann das für mich heißen, dass ich auf einen gemütlichen Fernsehabend verzichte, um in dieser Zeit etwas zu lesen, das mich in meinem Glauben weiterbringt?
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge« – Kann das für mich heißen, dass ich die Arbeit im Haus und im Garten warten lasse und einen Besuch bei einem Nachbarn oder Freund mache, der mich braucht?
»Jeder, der da kämpft, enthält sich aller Dinge« – Kann das für mich heißen, dass ich darauf verzichte, all mein Geld gewinnbringend anzulegen, sondern es auch für die Arbeit in der Gemeinde, in der Mission oder in der Diakonie weitergebe?
Opfer und Verzicht werden immer wieder von uns gefordert. Ich wünsche uns, dass wir als Christen fröhlich auf manches verzichten können, auch wenn es uns schwer fällt. Nicht mit zusammengebissenen Zähnen und zerfurchter Stirn, sondern wie ein Mann, der seiner geliebten Frau eine Freude machen will. Wie ein Paar, das ein Haus baut für sich und seine Kinder. Wie ein Sportler, der alles tut, um im Ziel anzugelangen. Amen.