Predigt zum Nachlesen

Predigt am 06. Sonntag nach Trinitatis, 11. Juli 2021 in Hugsweier und Langenwinkel von Pfarrer Axel Malter

Predigttext: Matthäus 28,16-20 (Taufbefehl)
16 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. 19 Darum geht hin und a macht zu Jüngern alle Völker: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende

Predigt
Liebe Gemeinde, ich will heute über den Zweifel predigen. Vielleicht wundert Euch das. Schließlich geht es in den letzten Worten vom Matthäusevangelium, die wir gerade gehört haben, doch um den Missionsbefehl, auch Taufbefehl genannt. - „Der große Auftrag“ oder „Der Auftrag von Jesus an seine Leute“ so heißt es als Überschrift zu diesen Versen in modernen Bibelübersetzungen. Und um einen solchen großen Auftrag
zu erfüllen, um andern Menschen von Gott und von Jesus zu erzählen und sie für den Glauben zu gewinnen, um sie anzuleiten und weiterzuführen, dafür braucht man doch besonders überzeugte und gefestigte Leute! So könnte man meinen. Persönlichkeiten, die selber fest im Glauben stehen, die felsenfest überzeugt sind – so wie der Apostel Petrus, „der Fels“. Das jedenfalls ist die deutsche Bedeutung seines griechischen
Beinamens „Petros“: der Fels. Eigentlich heißt der Mann einfach Simon. - Oder es braucht Menschen, die besonders gründlich Bescheid wissen, am besten solche, die das studiert haben, Profis, also Pfarrerinnen und Gemeindediakone – die sollen den Glauben weitergeben. So wie der Apostel Paulus, der konnte schlau schreiben und sehr gelehrte Worte machen. Für solche ist der Auftrag gedacht. - So denken manche vielleicht.

Ihr Lieben, wenn nur ausgebildete Profis den Glauben weitergeben würden und weitergegeben hätten, dann wäre die Kirchengeschichte schnell am Ende gewesen,vielleicht hätte sie nie richtig begonnen. Dann gäbe es jedenfalls schon lange keine christliche Gemeinde mehr. Und vielleicht hätte es nie welche gegeben. Wenn es nur die Aufgabe von Hauptamtlichen wäre, den Glauben weiterzuverbreiten, dann wäre ich als
Pfarrer schon längst hoffnungslos verloren und könnte einpacken.

Gott sei Dank gab es zu allen Zeiten und gibt es auch heute noch viele ganz normale Menschen, also keine theologischen Experten, die dazu beitragen, dass der Auftrag von Jesus erfüllt wird: dass Menschen getauft werden und angeleitet werden für ein Leben auf den Spuren von Jesus. Sie tun das an vielen Orten, in unterschiedlichen Situationen und auf ganz unterschiedliche Weise: Da gibt es Opas, die mit ihren Enkeln zum Gottesdienst kommen. Da gab es Großmütter in Russland, die das Kindertaufen übernommen haben in Gegenden, wo kein Pfarrer erreichbar war. Da gibt es Eltern, die beim Schlafengehen mit ihren Kindern beten. Da gibt es „Göttel“, die ihrem Patenkind eine Kinderbibel schenken – und ihm auch daraus vorlesen, wenn sie zu Besuch kommen. Da gibt es Leute, die mit ihrem musikalischen Talent dafür sorgen, dass auch Gesang und ganz unterschiedliche Lieder in unsern Gottesdiensten den Glauben wecken und stärken. Da gibt es Erzieherinnen, die im Kindergarten die christlichen Feste erklären und kindgerecht feiern. Da gibt es Menschen, die ganz bewusst eine Postkarte mit einer biblischen Botschaft auswählen, wenn Sie jemanden beglückwünschen oder wenn sie andern ihre Anteilnahme ausdrücken wollen in schweren Zeiten. Da gibt es Jungscharleiter oder Mitarbeiterinnen im Kindergottesdienst, die auf kreative und anschauliche Weise Bibelgeschichten erzählen oder spielen. Da gibt es Männer und Frauen, die als Kirchengemeinderäte kandidieren und auch nach außen hin der christlichen Gemeinde vor Ort ein Gesicht geben. Und da gibt es viele, viele Einzelne, die sich auch im Beruf oder im Verein erkennbar machen als aktive Christen, die dazu stehen, dass sie einen Gottesdienst besuchen oder dass sie bei einem christlichen Zeltlager mitmachen. Da gibt es junge und alte Menschen, die durchblicken lassen, dass sie eine Hoffnung haben und ein Vertrauen auf Gott, auch über den Tod hinaus und die darüber auch in Gesprächen Auskunft geben so gut sie können. Es gibt die Leute, die ihren Glauben auf unterschiedliche Weise leben und so zu Glaubensvorbildern für andere werden.

Das sind in der Regel alles keine studierten Experten. Sondern ganz normale Menschen, die auf ihre Weise den Missionsbefehl erfüllen. Man muss dafür nicht als Missionar nach China gehen. Die Welt, der wir mit dem Evangelium dienen können, beginnt direkt vor den eigenen Füßen und Händen, vor den eigenen Augen und Ohren. Manch einen zieht es dann aber auch tatsächlich hinaus in die weite Welt und sei es nur für eine begrenzte Zeit. Ich kenne einige junge Leute, die ein FSJ gemacht haben zur Unterstützung einer Missionarsfamilie in einem islamisch geprägten Land oder bei einem christlichen Projekt in Übersee.

Man muss kein Profi sein, um den Auftrag von Jesus zu erfüllen. Und man muss auch kein Glaubensheld sein. Und damit komme ich wieder zum Anfang zurück. Zum Thema Zweifel. Man darf auch Zweifel haben, Fragen und Krisen. Der Missionsbefehl richtet sich nicht nur an geistliche Superhelden, an fromme Überflieger, an radikale Power-Gläubige. Ich weiß nicht, ob Euch das aufgefallen ist, vorhin beim Vorlesen aus der
Bibel. Da heißt es „Die elf Jünger gingen hin nach Galiläa zu dem Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie ihn sahen, beteten sie ihn an – einige aber zweifelten.“

„Einige aber zweifelten.“ Man überliest diesen Satz leicht: „Einige aber zweifelten.“ Da sind die Jünger, die engsten Freunde von Jesus, sie haben Jesus erlebt - monatelang, jahrelang waren sie mit ihm unterwegs. Sie haben seine Wunder gesehen: Hungrige, die Brot zum Teilen hatten. Wasser, das er in Wein verwandelte. Kranke und Behinderte, die geheilt wurden. Wahnsinnige, Besessene, seelisch verletzte Menschen, die nach der
Begegnung mit Jesus endlich ein normales Leben führen konnten. Stürme, die zur Ruhe kamen auf sein Wort hin. Das alles hatten seine Jünger miterlebt. Und sie hatten seine Predigten gehört, seine Gleichnisse, sein Reden von Gott mit Vollmacht, mit Ausstrahlung, mit Überzeugungskraft. Und dann hatten sie sogar ihn gesehen, waren ihm begegnet nach seinem Tod. Er hatte mit ihnen gesprochen, hatte mit ihnen
gegessen, hatte ihnen alles erklärt aus der Heiligen Schrift. Er hatte sich ihnen gezeigt: lebendig als Sieger über das Grab. 40 Tage lang war Jesus als Auferstandener immer wieder erkennbar anwesend in ihrer Mitte.

So wie jetzt am Schluss: auf einem Berg in Galiläa, wo sie Jesus ein letztes Mal sehen.  Die Jünger fallen nieder und beten ihn an. Einige aber zweifelten. Woran sie zweifelten wird nicht erwähnt. Ob sie an sich selber zweifelten oder an ihm? Vielleicht denken sie: „Ist er es wirklich? Ist das nicht einfach nur eine Einbildung? Ein Wunschtraum? Eine Illusion? Viel zu schön um wahr zu sein? Viel zu verrückt um wahr zu sein? Und wenn er es ist, ist er überhaupt noch vertrauenswürdig für uns? Er hat schon einmal unsere Hoffnungen enttäuscht in den dunklen Stunden von Karfreitag an – als alles so ganz anders weiterging als wir uns das gewünscht hätten. Und umgekehrt: Vertraut er uns noch, nach allem, was war? Wir sind schließlich einfach weggelaufen und untergetaucht in den dunklen Stunden der Verfolgung und der Feindschaft, die er durchleiden musste. Da waren wir nicht an seiner Seite.“ Einige aber zweifelten: an Jesus, an Gott, am Glauben oder an sich selbst – oder an allem ein bisschen.
Was wir allerdings erfahren: Die zweifelnden Jünger werden nicht aussortiert. Sie werden nicht weg geschickt nach dem Motto: „Das, was ich jetzt zu sagen habe, ist nur für die Elitetruppe, für die Hunderprozentigen, für die ganz und gar Rechtgläubigen.“ Nein, die Zweifelnden bekommen genauso wie die anderen Jünger den Auftrag: „Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker. Tauft sie auf den Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Und genauso wie die anderen Jünger, so bekommen auch die Zweifler die Zusage von Jesus: „Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit.“ Gemeinsam mit den frommen Betern bekommen auch die Zweifelnden diese mutmachende göttliche Zusage. Und gemeinsam bekommen sie alle den Auftrag, Glaube, Hoffnung und Liebe
zu verbreiten und andere Menschen auf die Spur von Jesus zu bringen. Die Zweifelnden und die Betenden werden gemeinsam zu Aposteln, zu Botschaftern im Namen von Jesus.

Liebe Gemeinde, wenn das schon damals so war– dann gilt das für uns genauso: Jeder, unabhängig von seiner aktuellen Glaubensstärke, bekommt den Auftrag von Jesus: „Geht in die Welt hinaus und lasst die Menschen von mir hören. Bringt sie mit Gott und mit meiner Gemeinde in Kontakt!“                                                                                                                                                                                                                                          Und wenn Du manchmal Zweifel hast an Jesus, an Gott, am Glauben oder an Dir selber, dann lass Dich nicht beirren: Du wirst gebraucht. Du hast eine Mission in dieser Welt, eine große Aufgabe, einen göttlichen Auftrag. Und Du hast eine große Zusage von Gott.  Er lässt Dich niemals alleine, ist bei Dir alle Tage: „You’ll never walk alone“.
Ihr Lieben, gerade die Zweifelnden können sehr wichtig sein für den Auftrag, den Jesus seinen Nachfolgern gegeben hat. Denn manchmal hat es mehr Überzeugungskraft, wenn man nicht allzu vollmundig vom eigenen Glauben spricht. Wenn man nicht alles viel zu genau weiß und viel besser als das Gegenüber. - Das kann auch abschreckend wirken. Manchmal ist es überzeugender, wenn man ganz persönlich und vorsichtig,
tastend und zurückhaltend vom eigenen Glauben spricht, auch von den eigenen Zweifeln und Fragen. Das wirkt auf andere manchmal echter und überzeugender als wenn man sich so absolut hunderprozentig gibt. Ich muss keinen wasserdichten Glauben haben, der niemals wankt oder angefochten ist. Ich muss nicht über allen Zweifel erhaben sein, um anderen etwas weiterzugeben von Gott und von Jesus. Das zeigt uns der kurze Satz über die Apostel: „… einige aber zweifelten.

“ Zum Schluss kann ich mir ein kleines Wortspiel nicht verkneifen: Ist es nicht ein schöner Auftrag, dabei mitzuhelfen, dass Menschen „Jünger“ werden? Dass sie nicht einfach nur älter werden - das tun sie ja ganz von allein -, sondern dass sie tatsächlich „Jünger“ werden – Und zwar so viel „Jünger“, dass sie Kinder werden - Gottes Kinder! Vom himmlischen Vater zu Erben seines Himmelreiches ernannt. Dafür lasst uns Gott loben und ihm danken mit unserm nächsten Lied. Amen.