Predigt zum Nachlesen

Predigt am Ewigkeitssonntag, 21. November 2021 in Hugsweier  und Langenwinkel von Pfarrer Axel Malter

Predigt:
Liebe Gemeinde, kennt Ihr das? Du hast angefangen ein Buch zu lesen. Es wird immer spannender und spannender. Schließlich hältst Du’s nicht mehr aus. Du schlägst die letzten
Buchseiten auf, um zu sehen, wie es denn nun ausgeht. Worauf es hinaus läuft. – Wenn dann das Happy End feststeht, dann lässt sich beim Weiterlesen manche Spannung, manche Niederlage, mancher Schicksalsschlag in der Handlung des Buches besser verkraften.
Wie schön wäre es doch, wenn wir das im echten Leben auch mal machen könnten: Einfach mal kurz die letzten Seiten aufschlagen und nachschauen, wie es endet. Gucken, ob zum Schluss alles gut wird. Herausfinden worauf unsere Welt zu steuert. Welchem Ziel wir entgegen leben. – Vielleicht ließe sich danach ja wieder leichter leben, wäre uns manche Sorge abgenommen, wenn wir hätten sehen dürfen, dass sich auf den letzten Seiten der Weltgeschichte ein gutes Ende abzeichnet.

Unser heutiger Predigttext gestattet uns so einen Blick auf das Ende. Der Seher Johannes durfte sehen, worauf alles zuläuft. Und er wurde extra aufgefordert, aufzuschreiben, was er da gesehen hat. – Seine Aufzeichnungen finden wir im Buch der Offenbarung des Johannes. Wir hören Kapitel 21, die Verse 1-7 als Predigttext

1 Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.
2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!
6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein
Sohn sein.

 

Liebe Gemeinde, wie wird das einmal sein nach diesem Leben? Was kommt nach dem Tod? Wie sieht es aus in der Ewigkeit bei Gott? Das sind so Fragen, die man sich stellt, wenn man vom Tod betroffen wird, wenn man einen nahestehenden Menschen verloren hat. Kinder fragen da manchmal ganz direkt: „Wo ist die Oma jetzt?“ Und wir antworten dann: „Im Himmel.“ Und oft genug fällt es den Erwachsenen selber schwer, sich darunter etwas vorzustellen.
Dem Seher Johannes hat Gott mit einer Vision einen Eindruck davon verschafft, wie es sein wird in der Ewigkeit. Nach der Auferstehung der Toten. Und Johannes hat aufgeschrieben, was er gezeigt bekommen hat: Im Buch der Offenbarung in den letzten beiden Kapiteln. Wir haben soeben einen kleinen Abschnitt daraus gehört. – Natürlich ist es schwer, liebe Gemeinde, mit Worten und Begriffen aus unsrer Welt und unsrer Wirklichkeit eine ganz andere Welt und eine ganz andere Wirklichkeit zu beschreiben. Von daher ist es kein Wunder, wenn wir uns manches, was Johannes aufgeschrieben hat, nicht so leicht vorstellen können. So ein himmlisches Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel auf die Erde zu den Menschen kommt, wie eine geschmückte Braut zu ihrem Mann, das übersteigt irgendwie meine Vorstellungskraft. Auch wenn Johannes die Stadt später etwas
beschreibt: festlich, glänzend, schön wie kostbare Edelsteine, einladend - die Tore der Stadt stehen immer offen. Alles ist erfüllt von einem strahlenden Licht, das von Gott selbst ausgeht. Ein Thron, Bäume mit Früchten, eine kristallklare Quelle und ein Fluss. – Da entstehen schon Bilder in mir, keine Frage, aber zu einem in sich schlüssigen Bild von der Ewigkeit will sich das alles doch nicht zusammenreimen. – Nun, es ist ja – wie gesagt – wohl auch kein Wunder, wenn ich mir das alles nicht so richtig vorstellen kann. Schließlich ist es ja auch etwas ganz anderes, was dann kommt. Ganz anders als das, was wir kennen. „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. “ berichtet der Seher. Und er hörte Gottes Stimme: „Siehe, ich mache alles neu. – Denn das Erste ist vergangen.“ - Bei mir angekommen ist folgendes: Da wird eine große Sehnsucht in Erfüllung gehen: Die
große Sehnsucht Gottes, ganz nah bei seinen Menschen zu sein. Und die große Sehnsucht von uns Menschen, Gott ganz nah und spürbar um uns zu haben. – So wie die Sehnsucht zweier Liebenden, Braut und Bräutigam, ganz nah beieinander zu sein. Dann werden wir Gott so nah und so spürbar um uns haben, dass für Zweifel an seiner Existenz und an  seiner Liebe gar kein Platz mehr ist. Dann wird die Zeit, in der wir zwischen Glauben und
Zweifel gelebt haben, abgelöst sein von der Ewigkeit, in der wir schauen dürfen, was wir geglaubt und woran wir mitunter auch gezweifelt haben.
Liebe Gemeinde, leichter als die Ewigkeit zu beschreiben und sie uns vorzustellen, fällt es, uns vorzustellen, was dann nicht mehr sein wird in jener neuen Welt von dem, was wir aus unserer alten Welt kennen. Und darüber hat der Seher ja auch einiges gesagt: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“
Tränen, ja die kennen wir nur zu gut in unsrer Welt. Auch wenn wir Erwachsenen sie oft verstecken und eher dann weinen, wenn es keiner sieht.
Den Tod, ja den kennen wir leider auch. Viele von Euch, die Ihr diesen Gottesdienst heute Morgen mitfeiert, haben im vergangenen Jahr einen Angehörigen verloren. Ihr musstet Abschied nehmen von einem Menschen, der Euch viel bedeutet hat. Leid und Schmerz sind uns auch nicht unbekannt. Wir leiden hier in Deutschland zwar keine materielle Not wie die Menschen in anderen Teilen der Erde. Aber seelisches Leid, Depressionen, fiese Viren und die Schmerzen von manchen Krankheiten, die gibt es auch bei uns. Stilles Leid oft, was gar nicht nach außen dringt. Auch reiche und erfolgreiche Menschen können davon betroffen sein.
Und Geschrei kennen wir auch. Wenn gestritten wird. Wenn einer seine Wut am andern auslässt oder seinen Frust. Wenn heftige Worte gewechselt werden. Wenn Lehrer ihre Schüler niedermachen. Oder wenn es zum Familienkrach kommt.
„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Eine Welt ohne das alles können wir uns gut vorstellen. Es wäre der Himmel. - Ja, es ist der Himmel. So wird der Himmel sein. Der neue Himmel und die neue Erde, wie Johannes sie sehen durfte.
Ich finde es sehr schön, dass es da heißt: „Gott wird abwischen alle Tränen.“ Nicht einfach: Die Tränen werden nicht mehr sein. Sondern Gott selbst wird sie abwischen. Was für eine Geste von Zuneigung und Nähe, jemandem die Tränen abzuwischen! So geht Gott mit den Menschen um in der Ewigkeit. Ganz nah wird er sein, in liebevoller, tröstlicher Zuwendung.
Wohl wird da noch manche Träne in unseren Augen sein, wenn wir in dem Himmel kommen. Wegen dem Schweren, was wir in der alten Welt erlebt haben. Oder wegen dem Schönen, was wir dort zurücklassen mussten. Aber Gott wird abwischen alle Tränen. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Was für eine Zukunftsperspektive!
Eine grundsätzliche Frage sollte ich vielleicht an dieser Stelle noch beantworten: Wie kommen wir überhaupt dazu, so eine Zukunftsperspektive zu haben? Wer sagt uns denn, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist? Woher nehmen wir die Hoffnung auf ein ewiges Leben? Meine Antwort: Wir nehmen sie von Jesus. Er hat uns gezeigt, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Seine Auferstehung von den Toten war für seine Jünger ein sicheres Zeichen, dass der Tod eben nicht das letzte Wort hat. Sondern dass Gott stärker ist als der Tod. Jedes Jahr feiern wir Christen an Ostern wieder neu den großen Sieg über den Tod, den Jesus Christus errungen hat. Den er für uns alle errungen hat am Kreuz von Golgatha. Und weil Jesus immer und immer wieder Menschen in seine Nachfolge gerufen hat und heute noch ruft, deshalb vertrauen wir darauf, dass wir ihm auch auf diesem Weg nachfolgen werden. Auf dem Weg, den er uns gebahnt hat: durch den Tod ins ewige Leben bei Gott. Wir vertrauen darauf, dass wir ihm auch auf unserem letzten Weg nachfolgen dürfen. Wir verlassen uns dabei auf seine Worte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ Daher nehmen wir die Hoffnung gegen den Tod. Weil Jesus auferstanden ist. Wegen Ostern glauben wir, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist.
Liebe Gemeinde, Ihr sollt nicht meinen, ich spreche hier vom Sankt-Nimmerleinstag, wenn ich vom ewigen Leben spreche. Darum möchte ich Euch auch zeigen, was es heißt hier und jetzt in dieser Welt mit einer solchen ewigen Perspektive zu leben. Denn diese Zukunftsperspektive hat Auswirkungen auf unser Leben. Wie bei einem Buch: Wer das Ende schon kennt und weiß: es geht gut aus, der kann die Höhen und Tiefen besser aushalten, kann die Zitterpartien und die hoffnungslosen Zeiten gelassener durchstehen. – Vielleicht ist das auch der Grund, warum jahrelang Tausende vor den Bildschirmen darauf gewartet haben, dass Nina Ruge, die Nachrichtensprecherin und Moderatorin, nach ihrer Sendung „Leute heute“ endlich die drei erlösenden Worte spricht: „Alles wird gut.“ – Ich weiß nicht, wie Nina Ruge darauf kam, diese Worte immer wieder zu sagen. - Wir Christen jedenfalls wissen, warum wir diese Worte sprechen dürfen. Weil wir mit dem Seher Johannes schon in die letzten Seiten des Buches der Weltgeschichte gesehen haben.
Ein Beispiel, wie man in der Hoffnung auf das ewige Leben das Leben in dieser Welt meistern kann - trotz Schicksalsschlägen, ist der Liederdichter Paul Gerhardt. Er wurde vor über 400 Jahren geboren und lebte in der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Schon diese Zeitangabe macht deutlich, dass er kein ruhiges sanftes Leben hatte. Denn es war eine Zeit mit Hungersnöten und Seuchen und mit plündernden Soldatenbanden. Als Paul Gerhardt 12 war, starb sein Vater. Als er 14 war, starb seine Mutter. Später sah er von seinen fünf Kindern vier sterben. Auch beruflich geriet er in Schwierigkeiten. Das war dann schon in Friedenszeiten. Er erlebte Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlte Arbeit. Soweit, so traurig. Das erstaunliche aber ist, dass dieser Mann endlos viele Lieder und Gedichte geschrieben hat.
Viele singen wir heute noch. Zwei davon haben wir in diesem Gottesdienst schon anklingen lassen (EG 449 und EG 351). Es sind Lieder voller Hoffnung und Trost. Voller Lebensmut und Lebensfreude, voller Dankbarkeit für alles Schöne in dieser Welt. Lieder voll Vertrauen auf Gott.
Paul Gerhardts bekanntestes Lied ist wohl das wunderschöne Sommerlied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud an dieser lieben Sommerzeit“ (EG 503), wo er von Strophe zu Strophe die Schönheit der Natur besingt. Wie kann es sein, dass ein Mensch, der so viel Schweres erleben musste, daran nicht zerbrochen ist, sondern stattdessen solche leichten und frohen Lieder dichten konnte? Weil er das Ende vom Lied, genauer gesagt, das Ende
vom Buch gekannt hat! Weil er die Bibel gekannt hat, die Prophezeiungen aus dem Alten Testament, die Ostergeschichten und auch die letzten Kapitel aus dem Buch der Offenbarung. Weil er erfüllt war von einem festen Vertrauen auf Gott und auf die ewige Zukunft, die Gott in seinen Händen hält. „Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ. Das, was mich singen machet, ist was im Himmel ist.“, so hat er das formuliert. (EG 351,13) Der Blick auf Jesus Christus, den Auferstandenen und der Blick voraus auf das ewige Leben bei Gott im Himmel haben ihm immer wieder Lebensmut und Kraft gegeben. Daran hat er sich fest gehalten in allen Schicksalsschlägen und in allem Kummer.
Ein berühmtes Trostlied von ihm, was schon vielen leidgeprüften Menschen Mut gemacht hat, ist auch das: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ (EG 361,1) Wenn man Paul Gerhardts Lieder liest, findet man das ganz oft in der letzten Strophe: so ein hoffnungsvoller Ausblick auf unsere ewige Zukunft. Darauf hat Paul Gerhardt zu gelebt. Von daher hat er Kraft bezogen und Lebensfreude.
Ja, die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben kann einem schon hier und jetzt helfen, das Leben auf der Erde mit seinen Höhen und Tiefen zu bestehen.
Paul Gerhardt ist dafür ein Beispiel. Aber wie können wir es denn anstellen, dass diese Hoffnung auch in unserem Leben hier und heute Fuß fasst und Kraft gewinnt? Zwei kurze Hinweise möchte ich da zum Schluss noch geben. Erstens: Sonntag für Sonntag frischen wir beim Miteinander-Gottesdienst-Feiern unsre Hoffnung auf. Christen feiern ja den Sonntag,
weil das der Tag der Auferstehung von Jesus Christus ist. Wir singen und beten miteinander. Wir hören auf die Worte der Bibel. Ihr seid herzlich eingeladen immer wieder mitzufeiern. Zweitens: Manchmal ist es auch gut und hilfreich, gerade in besonders schweren Zeiten, sich an einem Bibelwort oder an einem Liedvers festzuhalten. Sich den auswendig einzuprägen oder aufzuschreiben und übers Bett zu hängen. Zum Beispiel diesen: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Amen.