Predigt zum Nachlesen

Predigt am 23. Januar 2022, 3. Sonntag nach Epiphanias von Pfarrer Axel Malter

Predigttext: Matthäus 14,22-33
22 Jesus drängte die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein
und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

 

Predigt:
Liebe Gemeinde, was ist das für eine abgefahrene Geschichte! – Jesus geht über das Wasser? – Unmöglich: Jedes Kind weiß, dass das nicht sein kann. Niemand kann auf dem Wasser gehen! – Oder?
Also, was mich betrifft, ich hab da nicht wirklich ein Problem damit: zu glauben, dass es wirklich so war, wie es uns Matthäus erzählt. – Denn Jesus trau‘ ich grundsätzlich alles zu!
Aber ich glaube auch, dass uns Matthäus diese Begebenheit nicht nur erzählt, weil es eine Sensation ist, dass Jesus damals übers Wasser ging. Da steckt noch mehr drin! Matthäus will uns mit dieser Erzählung etwas sagen über Jesus. Etwas, was auch für unser Leben und unseren Glauben heute von Bedeutung ist. Lasst uns miteinander entdecken, worum es geht: Das Boot der Jünger geriet mitten auf dem See Genezareth in Seenot durch Wind und Wellen. – Und schon sind wir mit unserem Leben mittendrin. Denn das kennen wir auch: Wind und Wellen, die unser Lebensboot bedrohen. Die Angst vor dem Kentern. – Gut, wenn wir von Wellen hören, dann denken wir derzeit natürlich vor allem an eines: an die Wellen der Pandemie, eine höher als die andere, und die Frage: Hört das denn gar nicht mehr auf. Dabei ist unser Lebensboot immer wieder auch anderen Wellen ausgesetzt, wo uns der Wind scharf ins Gesicht bläst und alles schwankt. Das kann die Situation am Arbeitsplatz sein. Wenn in manchen Branchen die nächste Entlassungswelle droht. Oder wenn in der Schule die Standpauke des Lehrers wie eine Welle über einen schwappt. Oder wenn man mit seiner Meinung oder einfach mit seiner Art zu leben allein steht auf weiter Flur und sich die anderen wie eine bedrohliche Welle vor – oder noch schlimmer - hinter einem aufbauen. Wenn man ausgegrenzt oder gemobbt wird oder in den Strudel von Tratsch und Geschwätz gerät. Wie eine übermächtige Welle, so fühlt es sich auch an, wenn man merkt, dass einen die Anforderungen am Arbeitsplatz oder in der Schule überrollen – und plötzlich sieht man einfach kein Land mehr, so sehr man auch rudert und sich anstrengt. – Ich hatte neulich Besuch von einem alten Schulkameraden, der mir erzählt hat, dass er noch heute manchmal schweißgebadet aufwacht, weil ihn der Albtraum von der nächsten Mathearbeit aus dem Schlaf gerissen hat und das Gefühl „Das kann ja mal wieder nur schief gehen.“ - Auch wer von der Chefin runtergeputzt wird, am besten vor versammelter Mannschaft, und keiner macht den Mund auf und springt Dir bei, weiß wie sich das anfühlt, wenn das Lebensboot sich langsam aber sicher mit
Wasser füllt und zu sinken beginnt. In der Kirche, darüber hat uns Dekan Becker in der letzten Kirchengemeinderatssitzung informiert, rollt gerade mit Macht die nächste Sparwelle auf uns zu. 30% auch der
Gemeindepfarrstellen sollen in den kommenden Jahren eingespart werden: ein selbstzerstörerischer Wahnsinn!
Vielleicht droht die nächste Welle aber auch im ganz Persönlichen, vielleicht ist eine bedrohliche Diagnose vom Arzt die Ursache, wenn das Wasser unser Lebensboot plötzlich nicht mehr trägt. Oder wir werden hin- und hergeworfen zwischen Hoffen und Bangen um einen Menschen, den wir lieben, der uns wichtig ist und der unserem Leben bisher Halt gegeben hat. Plötzlich bekommen wir es hautnah zu spüren, was wir eigentlich wissen: dass unser Leben auf dieser Erde verletzlich und endlich ist.
Ja, Wind und Wellen können verschiedene Namen haben. Sie bringen unser Lebensboot zum Schwanken.
Und unsere Geschichte zeigt uns: Auch diejenigen, die zu Jesus gehören, werden vor Wind und Wellen nicht verschont. - Man könnte ja denken: In der Welt mag es solche gefährlichen Stürme und hohe Wellen geben. Aber wenn man Christ ist und zu Jesus gehört, dann liegt die See doch immer spiegelglatt vor uns. – Mit Jesus geht alles wie von selbst. Da ist unser Lebensboot kein schwankender Kahn, sondern ein Traumschiff,
an dem sich die Wellen brechen.
Natürlich wissen wir, dass das so nicht stimmt. Sonst wären ja schon deshalb viel mehr Menschen überzeugte Christen. Das würde sich ja schnell herumsprechen, wenn der Glaube an Christus der Garant wäre für irdisches Glück und Unversehrtheit. Also: Auch die Jünger von Jesus sind betroffen. Es gibt da keinen Unterschied!
Aber nun erzählt uns Matthäus eben auch: Jesus kommt zu ihnen: über das Wasser zum Boot der Jünger. Mitten durch den Wind und die Wellen hindurch. – Und ich höre das so: Nichts auf der Welt kann Jesus daran hindern, bei uns zu sein: kein tosender Sturm und keine bedrohlich brausenden Wellen. Wind und Wellen im Leben sind stärker als wir. Das ist so. Sie werfen unser Lebensboot hin und her bis uns ganz schlecht wird oder wir vor Angst vergehen. Aber stärker als unser Herr Jesus sind sie nicht: der Wind und die Wellen.
Er kommt zu denen, deren Lebensschiff ins Schwanken geraten ist. Nichts hält ihn auf. – Aha –dann ist also doch alles ganz schnell wieder paletti? – Wind und Wellen sind zwar da, aber dann kommt Jesus und siehe: die See wird spiegelglatt und friedlich? – Wie praktisch wäre es, wenn das so ratzfatz ginge, nicht wahr? Tut es aber nicht. Es wird uns erzählt: Die Jünger haben Jesus gar nicht erkannt. – Sie halten ihn für ein
Gespenst und sie schreien vor Angst. Kann man das fassen? Die Jünger – das waren doch harte Männer und keine Weicheier! Gestandene Fischer, die es bestimmt nicht zum ersten Mal mit stürmischer See zu tun
hatten. Es war bestimmt nicht das erste Mal, dass ihr Boot unter ihnen schwankte! So leicht waren sie doch eigentlich nicht einzuschüchtern. – Aber jetzt sehen sie plötzlich Gespenster. Sie sind hilflos überfordert mit der Situation. Also wirklich: Gespenster! – Sonst noch was? - Da sind sie solche Kerle. Und doch schreien sie vor Angst? Und erkennen ihren Herrn Jesus nicht, ihren Retter? – Mit Glauben haben sie im Moment ganz offensichtlich nichts am Hut. Ihr kleiner Glaube trägt sie nicht in diesem Moment.
Aber Jesus spricht sie an: „Habt keine Angst, ich bin es! Fürchtet euch nicht!“ - Habt Ihr genau hingehört, liebe Gemeinde? Jesus sagt nicht: Habt keine Angst, die paar Wellen sind doch nun wirklich nicht so schlimm. – Und der Wind: Naja, also soo scharf bläst er nun auch wieder nicht, dass Ihr Euch derart fürchten müsstet!“
Nein, so redet Jesus nicht mit seinen Jüngern. Er kennt den Wind und die Wellen in unserem Leben. Und er weiß, wie gefährlich und wie bedrohlich sie für uns sind. „Ich bin es.“, sagt Jesus zu seinen Jüngern mitten in Sturm und Wellen. – „Ich bin es!“  Allein das ist Hilfe und Trost: dass es Jesus ist. Dass er da ist. Mitten drin!
Da wird Petrus plötzlich ganz mutig. – Eben noch hat er geschrien vor Angst. – Aber jetzt will er’s wissen. Ja, jetzt will er es wagen mit diesem Jesus. Er will ihm vertrauen: mitten im Wind und in den Wellen: „Herr, bist du es“, sagt er, „bist Du es wirklich, dann rufe mich doch, dass ich zu dir komme übers Wasser.“ Damit sagt Petrus: Wenn es stimmt, was von dir gesagt ist, wenn es wahr ist, dann musst du auch für mich einen Weg haben – Dann wird sich auf da ein Weg für mich auftun, wo es nach menschlichem Ermessen gar keinen Weg geben kann. Ich vermute, die anderen im Boot, die haben gedacht: Jetzt spinnt er! Das ist doch Wahnsinn, was der da vorhat.
Das Wasser da draußen brodelt schwarz. Da sieht doch jeder zu, dass er nicht über Bord geht. Da steigt doch kein vernünftiger Mensch freiwillig aus dem Boot! Ein bisschen Glauben und ein bisschen Vertrauen auf Jesus – ja gut, das kann nicht schaden. Aber doch nicht ohne Boot!
Aber Petrus lässt sich nicht beirren. Er will es jetzt wissen. Und Jesus lässt sich darauf ein. Jesus ruft ihn: „Komm her!“ Und Petrus setzt daraufhin alles auf die eine Karte: Er setzt den Fuß über den
schwankenden Bootsrand auf das Wasser und tatsächlich: Es trägt ihn. – Es trägt ihn wirklich!
„Größer als der Helfer ist die Not ja nicht!“, so heißt es in einem Gesangbuchlied. Und Petrus erfährt das jetzt.
Aber Matthäus hat noch nicht fertig erzählt. – Zum Glück nicht! – Denn sonst wäre diese Geschichte wohl kaum die unsere. Zuerst geht alles gut. Petrus schaut ganz fest auf Jesus. Und er weiß und er erlebt es:
Mein Herr Jesus ist stark: So stark, er hilft durch jeden Sturm und er hilft durch alle Wellen hindurch! Aber dieser Höhenflug des Vertrauens ist genauso unvermittelt am Ende wie er angefangen hat.
Auf einmal sieht Petrus den Wind und die Wellen wieder – und weg ist sein Glaube. War er denn wahnsinnig? Was hatte er hier außerhalb des Bootes zu suchen?
Zu stark waren die Wellen, zu stark der Wind. Mit einem Mal sieht Petrus Jesus nicht mehr. Alles andere zieht seine Blicke auf sich. Sofort beginnt Petrus zu sinken. - Okay, damit wird die Geschichte dann doch wieder zu der meinen. Gott sei Dank: So ehrlich spricht die Bibel von uns Menschen. So nah liegen Glaube und Zweifel beieinander. Das kommt mir dann doch sehr bekannt vor. Aber, auch hier ist die Geschichte zum Glück noch nicht zu Ende: In seiner Not schreit Petrus nach Jesus: Herr, hilf mir!“
Und sofort, ohne jedes Zögern streckt Jesus seine Hand aus, ergreift seinen Jünger und zieht ihn aus den Fluten. Liebe Konfirmanden, erinnert Euch an den vergangenen Mittwoch: an die Telefonnummer Gottes: 50-15. – Psalm 50, Vers 15: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du wirst mich preisen.
So ist Jesus. Er hört es immer, wenn ein Mensch in Not ruft: „Herr, hilf mir!“
Ja, er hört es immer, wenn Du in Not zu ihm rufst: „Herr, hilf mir!“ – Und er sagt. „Ich will dich erretten und du sollst mich preisen.“ Darauf zu vertrauen, liebe Gemeinde, dass er es hört, wenn wir aus unserer Not heraus
schreien „Herr Jesus, hilf mir!“ – Darauf zu vertrauen und dieses Vertrauen nicht wegzuwerfen, das ist die große Herausforderung für uns: an jedem neuen Tag. Ich möchte uns mit der Geschichte von Petrus dazu ermutigen, diese Herausforderung anzunehmen und zu bestehen.
Wind und Wellen in unserem Leben - in der Schule, am Arbeitsplatz, selbst in der Kirche, aber auch im ganz persönlichen Bereich, setzen alles daran, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vieles auf der Welt will uns das Fürchten lehren. Darum ist die Hauptsache im Leben, dass wir unser Vertrauen auf Jesus nicht wegwerfen und noch in größter Verzweiflung rufen: „Herr, hilf mir!“ -
Bei Geburtstagen sagen Menschen immer wieder: „Hauptsache gesund!“ Ja, es ist kostbar, wenn man gesund sein darf, das ist gar keine Frage. Aber noch wichtiger ist es, die Hauptsache ist es, dass wir uns das Vertrauen auf die starke Hand von Jesus von keinem Menschen abschwatzen und von keinem Schicksal abmarkten lassen. Die Hauptsache ist, dass wir es immer wieder tun: „Herr, hilf mir“  schreien und darauf hoffen, dass er uns herauszieht aus den Fluten, in die wir zu versinken drohen. Denn das tut er: und zwar nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben bewahrt uns unser Herr Jesus vor dem Untergehen. Amen.